16.06.2010

Porträts - IV

Hier ist das Porträt von Zsigmond Móricz....

Das Porträtieren, das heißt die Personifizierung, ist der bildenden Kunst ebenso wenig fremd wie die Metamorphose, dass also ein Stück Bronze die Züge eines Menschen annimmt. Dass wir ein Stück Bronze also nicht weiterhin nur als eine Bronzeplatte vor uns haben, sondern als Kopie, als Ebenbild eines Helden, eines Arbeiters, eines Soldaten oder eines Professors.

Wie viele Merkmale an jemanden erinnern, das ist fast bedeutungslos. Wenn drei charakteristische Punkte dazu genügen, braucht man auch nicht weiter zu gehen. Ein Porträt muss nicht unbedingt wie der Abdruck eines Gesichts, wie eine Fotografie mit dem Original übereinstimmen. Man darf von einer Person nur so viel in einem Porträt zeigen, wie nach unserer Überzeugung für sie charakteristisch ist. Es zeugt schon von Talentlosigkeit, wenn jemand ein Porträt bis in alle Einzelheiten ausarbeitet, nur weil er weiß, dass sie der Person eigen sind. Noch nie habe ich das Bildnis eines Menschen deshalb bewundert, weil alles authentisch an ihm dran war, aber ich habe mehr als einmal ein Porträt bewundert, wenn es drei charakteristische Merkmale oder auch nur ein einziges aufwies.

Die originalgetreue Nachbildung des menschlichen Antlitzes, die bis in jede kleinste Hautfalte geht, war in der römischen Kunst üblich. In der römischen Antike gab es gewisse Prozessionen, auf denen Totenmasken mitgetragen wurden, welche die Vorfahren der Teilnehmer symbolisierten. Der Brauch der Totenmasken ging bereits auf die Griechen, bzw. noch früher auf die mykenische Ära Kretas zurück; von daher kennen wir eine ganze Anzahl solcher goldenen Totenmasken. Die Sitte, diese Masken in Prozessionen mitzutragen, verbürgte die Anwesenheit der Vorfahren. Einem hochrangigen Römer trugen also seine Sklaven die Masken von mindestens vier bis fünf Generationen hinterher. Später dann nahmen solche Masken die Form von individuellen Porträts der Verstorbenen an, da man nicht mehr nur eine symbolische Totenmaske, sondern den Charakter des Verstorbenen zum Ausdruck bringen wollte und dabei jeden einzelnen Gesichtszug für bedeutsam hielt. Deshalb entspricht die in die feinsten Einzelheiten, bis in die widerlichsten Runzeln gehende Authentizität des römischen Porträts einem kultischen Anspruch.

1 Kommentar:

  1. Móricz, Zsigmond
    * 30.Juni 1879 Tiszacsécse
    + 4.Sept.1942 Budapest
    Ungarischer Schriftsteller, auch Redakteur. Vertreter des Naturalismus und des Kritischen
    Realismus, der großen Einfluß auf seine Zeitgenossen ausübte.

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