15.06.2010

Fürsten und Heilige im frühen Ungarn - I


Beginnen wir also unseren Rundgang bei König Stephan I., dem Heiligen, den Sie für die ungarische Kapelle in Rom geschaffen haben. Wie kam es zu diesem Auftrag des Vatikans?

Die Ungarische Kapelle in Rom kam als Symbol des Konkordats zwischen Kirche und Staat zustande, als der Papst wieder einen ungarischen Kardinal in sein Amt einsetzte. Denn lange Zeit über, nach der Festnahme und Inhaftierung Mindszentys 1948, nach den Jahren seines Asyls in der amerikanischen Botschaft nach 1956 und seiner 15 Jahre späteren Ausreise nach Wien, war die ungarische Kirche nicht durch einen Kardinal vertreten. Ein Konkordat zwischen Kirche und Staat schien unerlässlich, denn in Ungarn hatte die kommunistische Partei - in einigen Fällen sogar mit Hilfe von Scheinprozessen - die Tätigkeit der Kirche weitgehend unterbunden. Die kirchlichen Einrichtungen wurden beschlagnahmt, die kirchlichen Schulen verstaatlicht, wobei der Unterricht im allgemeinen auf ziemlich niedrigem Niveau weitergeführt wurde. Nun, irgendwann um 1973/74 hatten wir das Scheitern neuerer Reform-bestrebungen bereits hinter uns; es war also auch die Hoffnung auf eine baldige Änderung - und sei es nur eine Änderung unter sowjetischer Oberhoheit - zerronnen. Genauso beurteilte offenbar auch der Papst die Lage. Auch er musste sich um die existierende Kirche kümmern, und so unternahm er, unternahmen beide Seiten die entsprechenden Schritte. So wie seinerzeit die Aussöhnung mit Mussolini zustande gekommen war - die auf den St.-Peters-Platz führende Via della Conciliazione erinnert daran -, ebenso schloss die Kirche nun auch Frieden mit der kommunistischen Führung. Ein befreundeter Architekt, László Gerõ, erhielt damals den Auftrag, in der Unterkirche von Sankt Peter einen geeigneten Platz für eine ungarische Kapelle auszusuchen.

Die eigentliche Geschichte beginnt um 1030, als der Heilige Stephan in Rom ein Pilgerhaus errichten musste. Da nämlich die ungarischen Pilger, deren Väter noch in nomadischen Reitervölkern gelebt und Tierzucht betrieben hatten, noch keine - nicht einmal eine den damaligen Verhältnissen entsprechende - städtische Kultur und Zivilisation entwickelt hatten, waren die Römer nicht bereit, sie unter ihrem Dach zu beherbergen. So mussten sie bei ihren Pilgerfahrten nach Rom sehr harte Lebensbedingungen in Kauf nehmen. Rom begann sich in jener Zeit gerade zu einer Stadt zu entwickeln; zwei Jahrhunderte früher, um 800, war es noch ein ausgeplündertes Dorf, ein Räuberlager gewesen.

1 Kommentar:

  1. Mindszenty, József
    *29.März 1892 Csehimindszent bei Szombathely
    +6.Mai 1975 Wien
    Ungarischer Kardinal (seit 1946). 1919 Pfarrer in Zalaegerszeg; 1944 Bischof von Veszprém; 1945 Erzbischof von Esztergom und Fürstprimas von Ungarn. 1949 als Gegner des Kommunismus wegen Hochverrats zu lebenslänglicher Haft verurteilt; lebte nach seiner Befreiung während des Ungarischen Volksaufstandes (1956) bis 1971 im Asyl in der amerikanischen Botschaft in Budapest, seitdem in Wien. 1974 vom Vatikan als Erzbischof und Fürstprimas von Ungarn amtsenthoben. Die Absetzung gegen seinen Willen löste eine lebhafte Diskussion über die Methoden der vatikanischen Ostpolitik aus. In seinen "Erinnerungen" (dt. 1974) sieht sich M. als ein nutzloses Opfer vatikanischer Bemühungen um eine Verbesserung der kirchlichen Situation in Ungarn.

    Stephan I., der Heilige
    * um 975
    + 15.Aug.1038 Esztergom
    Sohn und Erbe des ungarischen Großfürsten Géza, durch Adalbert von Prag getauft. Durch seine Ehe mit der bayerischen Herzogin Gisela Schwager des späteren Kaisers Heinrich II. Ließ sich 1001 mit einer vom Papst übersandten Königskrone krönen. Er richtete eine geregelte Staatsverwaltung ein und christianisierte sein Land.

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