15.06.2010
Märtyrer, Opfer und Helden - XI
Leider hat sich später bestätigt, wie wenig sie verstanden wurde, zum Beispiel im Fall des Béla-Kun-Denkmals in Budapest, das man nach der politischen Wende abreißen ließ. Obwohl es das erste kritische Denkmal in der Geschichte ist. Es erzählt von einem Menschen, der im Augenblick des Abschieds den Schattengeistern, den Gespenstern der in seinem Auftrag Hingerichteten begegnet. Das Ganze schwebt über der Erde, und dort steht dieser Mensch, der zum Abschied winkt, mit dem Hut in der Hand, unter dem Galgen.
In einem ungarischen Gedicht - Petõfi schrieb es 1948, als in Wien der Graf Latour gelyncht wurde - heißt es: "Um Latours Hals der Strick...". Nun, Latour wurde an einem Laternenpfahl aufgehängt. Seither hat der Laternenpfahl in der ungarischen Dichtung nicht nur die Bedeutung einer Stange, die einen Beleuchtungskörper trägt, sondern die des Galgens. Und Béla Kun steht dort neben einem Laternenpfahl, die Lampe daran brannte Tag und Nacht. Wer lesen kann, für den ist das ein kritisches Denkmal. Für einen Analphabeten ist es das freilich nicht. Dem Analphabeten ist es völlig egal, was es ist. Auf diese Weise wurde seinerzeit unter Berufung auf die Schriften des Propheten die alexandrinische Bibliothek vernichtet: man steckte sie in Brand, weil das, "was bereits im Koran steht, überflüssig ist, und was nicht im Koran steht, eben deshalb überflüssig ist"... Na, gleichviel, ich möchte diese beiden Fälle nicht mit einander vergleichen, aber die Geste, die Tat war ebenso falsch. - Nicht wahr, dort sind die Opfer porträtiert, sie alle sind dem durch Béla Kun gegründeten ungarischen Kommunismus zum Opfer gefallen, und teilweise wurde auch er selbst zum Opfer: Man nimmt an, dass er 1937 in der Sowjetunion hingerichtet wurde.
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Kun, Béla
AntwortenLöschen* 20.Feb.1886 Lele (heute Rumänien)
+ 30.Nov.1939 (?) in der UdSSR
Ungarischer kommunistischer Politiker. 1916-18 in russ. Kriegsgefangenschaft. Organisierte nach Rückkehr die ungarische KP und proklamierte im März 1919 die Räterepublik, deren höchster Kommissar er war. Nach dem Zusammenbruch der Räterepublik August 1919 floh K. nach Österreich, 1920 in die SU; wurde im Verlauf der "Großen Säuberung" (1935-38) verhaftet und wahrscheinlich erschossen.
Latour, Theodor Graf Baillet de
* 15.Juni 1780 Linz
+ 6.Okt. 1848 Wien
Österreichischer General. Ab April 1848 Kriegsminister. Wurde bei der Erstürmung des Kriegsministeriums gelyncht (an einem Laternenpfahl erhängt).