16.06.2010

Neuere Arbeiten in Deutschland - IV

Die Geschichte hatte eine Fortsetzung, als die Klinik erweitert wurde; sie nennt sich jetzt Rhön-Klinikum. Der Vorstand der Klinik erwies mir sein Vertrauen, indem er mich nach diesen beiden vorhergehenden Aufträgen mit der Lösung einer nun schon weitaus komplizierteren Aufgabe betraute, nämlich den Anbau eines neuen Gebäudes, eines L-förmig sich anschließenden Trakts, der nebenbei durchbrochen, transparent war und schrecklich komplizierte Bedingungen hatte, künstlerisch zu gestalten. Ich glaube, das war die schönste Aufgabe meines Lebens. Für diese äußerst komplizierte Aufgabe wählte ich eine ebenso komplizierte Lösung. Als Raumteiler hatte man spanische Wände errichtet - diese spanischen Wände schmückte ich mit Gobelins. Gobelins und und Skulpturen habe ich thematisch zueinander in Beziehung gesetzt und zu einer Gesamtkomposition verbunden. Es war eine faszinierende Aufgabe. - Hatten Sie früher schon einmal Gobelins gemacht? - Ja, aber sie waren kleiner. Aber eigentlich kann man sich keine schönere und bessere Herausforderung vorstellen, als diese mächtigen Gobelins.

Der erste Gobelin, ein goldblättriger Baum vor einem rosafarbenen Hintergrund, stellt eine Geschichte aus der Bibel dar, die Episode von Susanna im Bade, bzw. er ergänzt sie. Nach dem XIII. Buch des Propheten Daniel wollten die beiden Ältesten Susanna erpressen. Der Prophet, der "in heiligem Zorn" gegen das Urteil Einspruch erhob, fragte den einen Ältesten, wo er Susanna habe Unzucht treiben sehen, worauf dieser sagte, es sei unter einem Mastixbaum gewesen. Dieser Mastixbaum mit seinen goldenen Blättern ist in einer Breite von etwa 7-8 m, also fast in natürlicher Größe auf dem Gobelin dargestellt. Zwischen seinen Blättern beginnen bereits die Zweige des zweiten Baumes, von dem der andere Älteste beteuerte, er habe Susanna dort, unter einem Eichenbaum, Unzucht treiben sehen. Die Eiche hat silbrige Blätter, und das machte dem Propheten klar, dass Susanna unschuldig war, die Ältesten aber Lügner. Sie wurden enthauptet. Die Gobelins mit dem Mastixbaum und der Eiche reichen bis zur Ecke. Wenn wir um die Ecke kommen, sehen wir eine etwa 3 1/2 m hohe, mit Eichenblättern verzierte Säule, von der ein etwa 6 m lang ausgebreitetes Tuch aus Bronze herabhängt. Auf diesem Tuch liegt die Akt-Skulptur der Susanna. Die Köpfe der beiden Ältesten jedoch sind am oberen Ende der Säule befestigt.

Damit führe ich den Betrachter in den Raum, an dessen anderem Ende ich in einer Mauervertiefung einen weiteren mächtigen Gobelin angebracht habe, den wunderbaren Fischfang, in diesem Fall aus dem Blickwinkel der Fische gesehen. Tausende von Fischen schwimmen in einem Meer, in einblitzendem Licht, und ein goldenes Netz umfängt sie. Für die rechte und linke Seite habe ich zwei Verdüren gefertigt, die eine mit einem beladenen Schiff, das ans Festland kommt, und mit den trüben Wellen des Meeres, die andere hingegen als Schlussstück dazu, mit einem großen, aus einem Vogelschwarm gebildeten Fragezeichen, und mit sieben Flamingos in der rechten Ecke, anstelle der Signatur.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen