16.06.2010

À la recherche - III


Dasselbe spielt sich natürlich auch im Post-Impressionismus ab, der die gegenständliche Darstellung zwar beibehält, aber völlig vernachlässigt, und dadurch zu einer selbständigen dekorativen Kunstrichtung wird. Später dann lässt die Kunst auch die dekorativen Elemente fallen und kehrt zum Gottesbegriff zurück, indem sie nun die andere Seite zergliedert. Das ideologische Bild manifestiert sich zum Beispiel im Stapeln von Coca-Cola-Dosen, in den Auto-Trümmern, wenn der gegenständliche Teil, der naturalistische Teil des Bildes abstrahiert wird, wenn nämlich der See, der uns umgibt, verschwindet, und nur die hineingeworfenen Coca-Cola-Abfälle übrig bleiben. Nun, dieser Teil des Bildes ist dann der Gottesbegriff selbst. Einen der konvergenten Strahlen des Bildes zergliedert der Konstruktivismus, der Pointillismus; die verschiedensten Formen des Modernismus zergliedern den anderen, den ideologischen Strahl, und daraus folgt dann die Negation des Gottesbegriffs, aber auch das Verlangen nach ihm.

Diesen Gedankengang musste ich deshalb so ausführlich darlegen, weil ich darin jenen Punkt gefunden habe, an dem ich den Zustand der Welt, in den ich gerade hineingeboren wurde, meinem Gemüt entsprechend mit meinen Möglichkeiten in Einklang bringen konnte. Proust hat in der Literatur einen Weg gewählt, auf dem der Mikrokosmos, dieser gewisse Tautropfen sichtbar wird. Ebenso wie sich im Tautropfen auf den Seerosen im Teich in jenem Augenblick die ganze Problematik des ihn umgebenden Teiches sammelte, so läuft diese gewisse Proust‘sche Welt, der Duft eines Tees, oder jene Madeleine, auf diesen einen Punkt zu und durch ihn hindurch, freilich mit allen Vor- und Nachteilen der Literatur. Denn ein literarisches Werk baut sein Bild nicht auf einem einzigen Augenblick auf, sondern es baut auf 1200 Seiten immer an diesem gleichen Bild weiter. Deshalb nämlich ist ein literarisches Werk schon von vornherein so abstrakt, weil es eine Reihe von Bildern, eine Reihe von Schleiern übereinander legt, bis schließlich, wenn ich das Buch zuschlage, vor meinen Augen durch diese vielen Schleier, von denen jeder ein winziges Detail hinzufügt, das Bild hindurchleuchtet. Diese Proust'sche Welt wies mir einen Weg, der mir gangbar und weiter entwicklungsfähig schien.

1 Kommentar:

  1. Monet, Claude
    * 14.Feb.1840 Paris
    + 06.Dez.1926 Giverny
    Französischer Maler. Ging vom dunkeltonigen Figurenbild zur Freilicht- und damit zur Landschaftsmalerei über und entwickelte sich zum Hauptvertreter des französischen Impressionismus. Mit subtiler Pinseltechnik gelang ihm die Wiedergabe des flimmernden Lichts und feinster atmosphärischer Stimmungen.

    Proust, Marcel
    * 10.Juli 1871 Paris
    + 18.Nov.1922 Paris
    Französischer Schriftsteller. Mit seinem 7-teiligen Romanzyklus "À la recherche du temps perdu" über den Abgesang der französischen Aristokratie wurde er einer der wichtigsten modernen Schriftsteller des XX. Jahrhunderts.

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