16.06.2010

Neuere Arbeiten in Deutschland - I

Zuletzt würde ich Sie gern noch nach den Werken fragen, die sich außerhalb Ungarns - wohl überwiegend in Deutschland - befinden, wie z.B. der St. Stephan in Aachen. Ist dieser St. Stephan der gleiche wie der in Rom?

Natürlich ist es nicht derselbe Sankt Stephan, ist doch die Situation eine andere. Ich habe das ursprüngliche Konzept einfach deshalb verwendet, weil der Aachener Domprobst, beziehungsweise das Domkapitel es so wollte. Sie wollten auf Nummer Sicher gehen und scheuten das mit einem unerprobten Werk verbundene Risiko. Deshalb baten sie mich, die gleiche Sankt-Stephans-Figur wie im Petersdom in Rom auch neben dem Dom zu Aachen aufzustellen.

Ich fertigte für Aachen eine gründlich überarbeitete Version, die sich in erster Linie durch den Krönungsmantel von der ersten unterscheidet. Den Krönungsmantel habe ich geschweißt, also ebenfalls sehr kompliziert und noch reicher gestaltet als den römischen. Mein römischer Sankt Stephan steht nämlich vor einem fast 40 qm großen vergoldeten Relief, und die Relationen sind völlig anders. Dort kommt das Gold auf der Wand und auf dem Mantel der Jungfrau Maria zur Geltung, deshalb war es nicht notwendig, ja sogar überflüssig, es auch wieder auf dem Krönungsmantel anzubringen. In Aachen jedoch steht dieses Standbild für sich allein, so dass ich mit dem Mantel all das zum Ausdruck bringen musste, was ich in der römischen Kapelle mit der gesamten Komposition sagte.

Man muss wissen, dass mein Sankt Stephan in Rom zugleich mit der Krone, die er darbringt, auch auf die Kulturschätze hinweisen will, die wir Ungarn auf unserer langen Wanderschaft mitgebracht hatten. Der ungarischen Sage zufolge sind ja Hunor und Magor - die beiden Namen deuten auf die doppelte Abstammung hin, an die man wider besseres Wissen glaubt: Hunor auf die hunnische, Magor auf die madjarische Abstammung - bei der Jagd auf den Wunderhirsch in das Karpatenbecken gelangt. Die goldenen Hirsche haben jedoch einen historischen Bezug. Man hat nämlich in Gräbern an drei Orten 15-20 cm große Figuren von goldenen Hirschen gefunden, die als Wahrzeichen der Stammesfürsten auf deren Schilden angebracht und nach ihrem Tod mit diesen zusammen begraben wurden. Diese Hirsche sind auf dem Relief in Rom dargestellt, aber nicht in Aachen. Deshalb also wollte ich die Aachener Figur durch die Vergoldung dieser Motive der römischen ähnlich machen.

In Aachen gab - und gibt es meines Wissens noch immer - ein anderes, technisches Problem: Durch das Gebiet, auf dem das Denkmal steht, führt die Hauptleitung einer Kanalisation, und unter der Erde befinden sich Ruinen aus der Römerzeit. Es sind also wahrscheinlich irgendwann noch Ausgrabungsarbeiten zu erwarten. Deshalb konnten wir das Denkmal noch nicht endgültig aufstellen, noch nicht fest betonieren.

Der Anlass für den Auftrag zu diesem Denkmal war die traditionelle ungarische Wallfahrt nach Aachen, die auf die Zeit des ungarischen Königs Ludwig des Großen zurückgeht und deren Erneuerung man bei den Feierlichkeiten zum Todestag des Heiligen Stephan, nach meiner Erinnerung so um das Jahr 87/88, plante, als die deutsch-ungarischen Beziehungen sich zu intensivieren begannen. Eine der Kapellen des Aachener Doms, die ungarische Kapelle, hat Ludwig der Große erbaut. Später, während des Dreißigjährigen Krieges, brannte sie ab. Für ihre Schatzkammer hatte Ludwig der Große Reliquien gestiftet: Reliquien des Heiligen Stephan, des Heiligen Ladislaus und des Heiligen Emmerich aus dem Hause der ungarischen Könige. Die Reliquienschreine gehören zu den seltenen Exemplaren, die im 13. Jahrhundert oder noch früher von den Kunstschmieden mit dem Wappen des Arpadenhauses geschmückt wurden. Die Beziehungen zwischen Aachen und Ungarn waren also schon immer sehr eng gewesen.

1 Kommentar:

  1. Stephan I., der Heilige
    * um 975
    + 15.Aug.1038 Esztergom
    Sohn und Erbe des ungarischen Großfürsten Géza, durch Adalbert von Prag getauft. Durch seine Ehe mit der bayerischen Herzogin Gisela Schwager des späteren Kaisers Heinrich II. Ließ sich 1001 mit einer vom Papst übersandten Königskrone krönen. Er richtete eine geregelte Staatsverwaltung ein und christianisierte sein Land.

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